In der Schweiz haben die Fälle von Legionellose stark zugenommen. Dass mit der Krankheit, die von Bakterien im Wasser übertragen wird, nicht zu spassen ist, zeigt die Geschichte von Thomas Bertschi.
Thomas Bertschi ist dankbar, dass er nach seiner schweren Legionellose-Erkrankung heute wieder in seiner Werkstatt stehen kann.
Endlich Ferien, endlich ausspannen – doch Vorfreude kam bei Thomas Bertschi (61) nicht auf. «Am Abend vor der Abreise war mir schlecht, ich fühlte mich krank und vermutete eine Magen-Darm-Grippe», erinnert sich der selbständige Schreiner aus Uerkheim AG.
Das geht wieder vorbei, dachte er sich, und am nächsten Morgen fuhr er ins Bündnerland. «Da merkte ich schon, dass etwas nicht stimmt. Ich konnte mich nur schwer aufs Autofahren konzentrieren und fuhr entsprechend langsam.»
In den nächsten Stunden verschlechterte sich sein Zustand ständig. «Ich hatte Gleichgewichtsstörungen und war so schwach, dass ich nicht mehr gehen konnte.» So musste er sich wieder heimfahren lassen.
Zu Hause war es Bertschi dann nicht einmal mehr möglich, in die Badewanne zu steigen. Das Krankheitsgefühl war derart intensiv, dass er schliesslich nach Zofingen ins Spital gebracht werden musste. Das Fieber stieg auf 41 Grad, das Röntgenbild zeigte eine Verschattung auf beiden Lungenflügeln. Die Diagnose:
Legionellose, auch Legionärskrankheit genannt.
«Die ersten Symptome zeigen sich etwa zwei bis zehn Tage nach der Ansteckung und bestehen aus Fieber, Husten, Atemnot und reduziertem Allgemeinzustand», erklärt Marco Rossi, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Luzerner Kantonsspital. Verwirrtheit und Magen-Darm-Probleme können hinzukommen.
Die Legionärskrankheit wurde erstmals 1976 beschrieben. Damals erfasste eine akute Pneumonie 182 US-Veteranen, die sich für ihr jährliches Treffen in Philadelphia versammelt hatten. 29 Personen starben. Der auslösende Erreger, eine Bakterie, wurde etwa sechs Monate später identifiziert und erhielt den Namen Legionella pneumophila (L. pneumophila). Die Nachforschungen ergaben, dass die Klimaanlage des Hotels, in dem die Kongressteilnehmer wohnten, die Ansteckung verursacht hatte.
Tatsächlich kommen die Erreger natürlicherweise in fast allen wässerigen und feuchten Umgebungen vor.
Sie können sich besonders gut in Wassersystemen vermehren, in denen das Wasser nicht konstant erneuert wird und sich die Temperatur zwischen 25 und 45 Grad Celsius bewegt, also beispielsweise in Wasserleitungen, Wasserhähnen, Duschköpfen, Whirlpools, Autowasch- oder eben Klimaanlagen.
Die Übertragung von Legionellen erfolgt durch zerstäubtes oder vernebeltes Wasser, das dann als Aerosole eingeatmet wird. Das Risiko einer Legionellose steigt mit zunehmendem Alter und schwächer werdendem Immunsystem. Männer sind deutlich häufiger betroffen als Frauen. «Lungenentzündungen mit Legionellen kommen oft vor bei bereits geschwächten Patienten und verlaufen nicht selten schwer», sagt Facharzt Rossi.
Wie aber wird die Diagnose gestellt? «Im Röntgenbild ist eine Verschattung in einer oder in beiden Lungen als Ausdruck der Entzündung im Lungengewebe sichtbar. Diese Röntgen-Veränderungen sind jedoch unspezifisch und können nicht zwischen einer Legionellen-Erkrankung und einer anderen Lungenentzündung unterscheiden.»
Oft könnten aber Bakterienbestandteile von Legionellen im Urin der Patienten nachgewiesen werden, in seltenen Fällen fänden sich Hinweise auf den Erreger auch im Blut oder im Auswurf, so Rossi. Die Therapie erfolgt mit Antibiotika, die gegen Legionellen aktiv sind.
Auch Thomas Bertschi wurde gleich nach der Diagnose entsprechend behandelt – ohne Erfolg. «Das Antibiotikum, das gegen die Bakterien helfen sollte, schlug nicht an», erinnert er sich. Seine Nieren versagten, er musste mit der Ambulanz ins Spital Sursee verlegt werden, wo er für vier Tage ins künstliche Koma versetzt wurde.
Ein anderes Antibiotikum hat ihm schliesslich geholfen, und er konnte das Spital nach einer Woche wieder verlassen. «Ich war allerdings sehr geschwächt, konnte kaum gehen, hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, und ans Arbeiten war schon gar nicht zu denken.» Sieben Monate war er arbeitsunfähig. Dank Krafttraining, Physiotherapie und vielen Spaziergängen ging es ihm aber langsam wieder besser.
Eine Ansteckungsquelle ausfindig zu machen, ist oft schwierig.
Thomas Bertschi vermutet aufgrund seiner Arbeitsrapporte, dass er sich beim Benutzen des Luftkompressors angesteckt hat. «Bei Nichtgebrauch entsteht da Kondenswasser, und wenn es warm genug ist, können sich die Legionellen leicht vermehren.» Eine Hypothese, die ihm auch Fachleute als plausibel bestätigt haben.
Legionellose kennt man auf der ganzen Welt. In der Schweiz gehört die Krankheit seit 1988 zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten. Seit den 2000er-Jahren haben sich die Fallzahlen fast verfünffacht. Zudem waren die Spitzenwerte im Sommer in den letzten Jahren ausgeprägter und verlagerten sich oft schon in den Frühling.
Es wird vermutet, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Dazu gehören die Klimaerwärmung, das Herunterregulieren der Boilertemperatur zum Energiesparen, vermehrtes Testen und eine Zunahme von kontaminierten Quellen wie zum Beispiel Klimaanlagen.
Heute, drei Jahre nach der Krankheit, ist Thomas Bertschi wieder vollkommen gesund. «Es ist fast schon ein Wunder, dass ich mich so gut erholt habe», sagt er. «Aber ich hatte während der Genesung auch viel Zeit zum Nachdenken und feiere seit der Krankheit jeweils im Oktober einen zweiten Geburtstag.»